Ich weiß nicht, wie es lacht, welche Augenfarbe es hat, was seine Lieblingsfarbe sein wird, wie es sich anfühlt, wenn es „MAMA“ sagt.
Ich weiß nicht, wie es lacht, welche Augenfarbe es hat, was seine Lieblingsfarbe sein wird, wie es sich anfühlt, wenn es „MAMA“ sagt.
Liebe Isabell, stell Dich und Deine Familie ganz kurz vor.
Wir sind Isabell und Jörn, beide 39 Jahre alt und haben zwei Töchter.
Jasmin ist 5 Jahre und Annabell ist drei Jahre alt. Wir leben gemeinsam im Schwarzwald-Baar-Kreis.
Wie und wann hast Du erfahren, das mit Deinem Baby etwas nicht in Ordnung ist? Kannst Du Dich noch an Deine ersten Gedanken und Gefühle erinnern?
Meine Schwangerschaft verlief im ersten Trimester komplett unauffällig, wir entschlossen uns schon im Vorfeld keine weiteren Zusatzuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Bei einer Routineuntersuchung in der 12. Schwangerschaftswoche teilte uns der Gynäkologe mit, Jasmins Nackenfalte sei sehr auffällig. Im Rahmen dieser Auffälligkeit erhielten wir einen Termin bei einer Pränataldiagnostikerin.
Natürlich ist man nach so einer Diagnose geschockt und es zieht einem buchstäblich „ den Boden unter den Füßen weg“. Man fühlt sich allein gelassen und hilflos, verbunden mit sehr vielen Ängsten. Beratung seitens der Ärzte gibt es relativ wenig, vielmehr wird man nur mit negativen Dingen konfrontiert.
Die Entscheidung das Kind zur Welt zu bringen wird bei jeder Untersuchung neu in Frage gestellt.
Nach langen Überlegungen haben wir uns damals entschieden, diesen Termin abzusagen. Wir wollten zunächst einmal keine weiteren Untersuchungen.
Da es schon immer unser Wusch war, unser Baby in einen Hebammenhaus zur Welt zu bringen, standen wir mit den Hebammen im engen Kontakt. Sie haben uns auch darauf hingewiesen, das wir uns im klaren sein müssen, welche Konsequenz eine Pränataluntersuchung für uns hätte, wir waren uns aber einig, das ein Ergebnis keine Konsequenzen für uns nach sich zieht. Wir wollten unser Kind auf jeden Fall haben.
In der 20. Schwangerschaftswoche wurde ein Organscreening gemacht und ein weiterer „Softmaker“ entdeckt, der auch ein Hinweis für eine genetische Veränderung sein könnte. Aber eine 100% ige Sicherheit hätte nur eine Fruchtwasserpunktion gegeben. Für uns kam dies allerdings nicht in Frage. Wir wollten unser Kind so annehmen wie es ist.
Wie hast Du nach der Diagnose Deine Schwangerschaft erlebt?
Ich habe meine erste Schwangerschaft ziemlich aufgewühlt und mit vielen „Up´s and Down´s“ in Erinnerung. Bei jeder Untersuchung lag der Fokus der Ärzte nur noch darauf weitere Auffälligkeiten zu suchen. Das verunsicherte mich sehr, auch, weil wir immer wieder gefragt wurden, ob wir uns wirklich noch sicher seien und das Baby bekommen wollen. Das war sehr belastend für uns.
Dank der Hebammen, die mich über die ganze Schwangerschaft sehr unterstützt haben, konnte ich mich meistens schnell wieder „aufrappeln“ und zu mir selbst finden. Es war wirklich wie Achterbahn fahren.
Wie hat Euer Umfeld auf die Diagnose reagiert?
Wir haben mit ganz wenigen Leuten über die mögliche Diagnose gesprochen, da wir selber auch nicht zu 100% wussten ob Jasmin das Down Syndrom haben wird. Wir wollten uns auch nicht immer wieder aufwühlen und verunsichern lassen durch Diskussionen im nahen Umfeld, vielmehr sehnten wir uns nach Normalität und ein wenig Unbeschwertheit. Wir hatten allerdings immer große Unterstützung von unseren engen Freunden.
Auch nach Jasmins Geburt waren und sind unsere Freunde bis heute immer eine große Stütze für uns.
Das freut uns auch heute noch.
Ist die Beratung seitens der Ärzte nach so einer Diagnose ausreichend?
Die Beratungen war immer eine reine Katastrophe, wir haben uns total alleingelassen gefühlt. Ich hatte immer den Eindruck, das die Ärzte mit dieser Situation selber überfordert sind. Es wurden nur medizinische Auskünfte gegeben, das ist ja auch völlig in Ordnung, schließlich sind es ja Mediziner. Allerdings hätte ich mir gewünscht, das man mir schon während der Schwangerschaft eine Elterngruppe oder ähnliches empfiehlt. So könnte man sich mit betroffenen Eltern austauschen auch könnte man Kinder mit Down Syndrom kennen lernen, oder erfährt wie das Leben mit Kindern mit Down Syndrom ist. Welche Ängste und Sorgen und auch Herausforderungen kommen auf einen zu, all dies erfährt man doch am besten von „betroffenen“ Eltern. Ich bin mir sehr sicher, das hätte viele Zweifel und Beklemmungen im Vorfeld schon reduziert und mir mehr Sicherheit gegeben zu wissen, ich habe die richtige Entscheidung getroffen.
Nach 9 Monaten konntet Ihr endlich Eure Tochter in den Armen halten, wie waren die ersten Tage mit Jasmin?
Jasmin wurde ambulant im Hebammenhaus entbunden. Für mich war es von Anfang an ersichtlich, das Jasmin Trisomie 21 hat. Die ersten Tage nach der Geburt waren aber total unbeschwert und wunderschön. Wir hatten am nächsten Morgen noch einen Termin bei einem Kinderkardiologe um Defekte am Herzen auszuschließen. Danach begann eine entzückende Zeit des Kennenlernens. Wir genossen unser Familienglück wie jede andere frisch gebackenen Familie auch, mit allen Höhen und Tiefen.
Unser Baby war einfach absolut perfekt und bezaubernd. Es gab keine Sekunde des Zweifels mehr, die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Jasmin ist nun 5 Jahre alt, welche positiven Momente aber auch negative Momente habt Ihr als Familie miteinander erlebt?
Wir haben unzählige schöne und glückliche Momente, die auf jeden Fall ganz klar überwiegen. Ein schwerer Moment war meine Erkenntnis, dass in der Schwangerschaft nur nach Auffälligkeiten bei Jasmin gesucht wurde. Es wurde uns einfach wenig Mut gemacht. Wir hatten ein ganz anderes Bild im Kopf, wie es dann tatsächlich eingetroffen ist.
Jasmin hat bisher immer ihren Weg perfekt gemeistert – oft wurden wir verunsichert. Angefangen von „klappt das Stillen? Wird sie jemals sitzen oder laufen? Wie entwickelt sie sich kognitiv?“ Sie hat es bisher immer wieder allen bewiesen – SIE KANN ES DOCH.
Das macht uns unheimlich stolz und gibt enorm viel Kraft und Zuversicht. Sie ist ein sehr starkes Kind – stärker als wir jemals gedacht haben – sie nimmt uns unheimlich mit und belehrt uns immer wieder eines Besseren.
Ich habe mir früher oft Gedanken gemacht wie Jasmins soziale Kontakte aussehen werden. Wird sie im Kindergarten akzeptiert? Findet sie Freunde? Heute kann ich sagen, es hat sich alles toll entwickelt und hat mir gezeigt, ich habe mir wieder umsonst Sorgen gemacht. Letztendlich denke ich, diese Gedanken macht man sich aber auch bei Kindern, die kein Handicap haben.
Wie stehst Du zu dem Thema Pränataldiagnostik und dem Bluttest der ja nun Kassenleistung ist?
Ich bin bis heute immer noch schockiert, das es überhaupt so weit gekommen ist. Ich war der festen Überzeugung, das so etwas niemals eintreffen wird. Die Frage, die sich mir immer wieder stellt: WARUM BEIM DOWN SYNDROM? Es gibt so viele genetischenVeränderungen, Trisomie21 ist nur eine von unzählig vielen. Ich bin auch der Meinung das die Pränataldiagnostik zu viel mehr Unsicherheit führt, als sie Sicherheit gibt.
Viele schwangere Frauen sind allerdings auf der Suche nach Sicherheit und sind sich dessen nicht bewusst, was es bedeutet, wenn ein Ergebnis herauskommt mit dem man nicht gerechnet hat. Deshalb entscheidet man sich in meinen Augen zu leichtfertig für pränataldiagnostische Untersuchungen. Und auch das Thema „wo fängt man an, wo hört man auf?“ beschäftigt mich oft und macht mir Angst. Unsere Kinder, die so toll sind, werden wahrscheinlich irgendwann aussterben, weil sie von der Gesellschaft nicht erwünscht sind, das macht mich traurig.
Kannst Du nachvollziehen, wenn sich jemand gegen ein Kind mit Trisomie 21 entscheidet?
Ich kann und darf solche Entscheidungen nicht bewerten. Es ist völlig normal das werdende Eltern Ängste und Sorgen haben, wenn es um Kinder mit Handicap geht. Es sind natürlich besondere Umstände, die auf Eltern zukommen. Aber es macht mich auch traurig – gerade wenn ich meine Jasmin anschaue – warum sollte man sich gegen sie entscheiden?
Hast Du in Deiner zweiten Schwangerschaft Pränataldiagnostik in Anspruch genommen und wie ging es Dir in der Zeit der zweiten Schwangerschaft?
In der zweiten Schwangerschaft waren wir auch gegen pränataldiagnostische Untersuchungen. Allerdings war Jasmin damals erst ein Jahr alt und wir wussten noch nicht was für besondere Herausforderungen auf uns zukommen werden. Wir haben uns dann entschieden die Nackenfalte messen zu lassen. Uns war auf der anderen Seite aber auch klar, das wir uns bei einem Hinweis für eine genetische Erkrankung auch für dieses Kind entschieden hätten. Pränataldiagnostik ist eben Segen und Fluch gleichermaßen.
Sonst war die zweite Schwangerschaft unbeschwert mit wenig Ängsten.
Erst in der zweiten Schwangerschaft wurde mir bewusst, wie viel in der ersten Schwangerschaft nach Auffälligkeiten gesucht wurde, das war total anders, sogar Ultraschallbilder habe ich erhalten. Das wurde mir bei Jasmins Schwangerschaft nie angeboten.
Du bist in einem Gesprächskreis, vielmehr in einer Elterninitiative engagiert, erzähl doch mal ein wenig über diese Gruppe:
Es ist eine Selbsthilfegruppe für Eltern mit Kindern mit Down Syndrom. Die Gruppe dient zum Austausch untereinander. Auch die Kinder haben sich schon kennen gelernt. Wir tauschen uns aus über unseren Alltag, unsere Erfahrungen, Ängste und Sorgen. Wir treffen uns ein mal im Monat. Es macht Mut weil man spürt, das alle die gleichen Probleme haben und man nicht allein ist. Die Gruppe nennt sich EINZIGARTIG21
Welche Reaktionen seitens der Öffentlichkeit erlebt Eure Gruppe?
Wir haben im letzten Jahr einige Fotoausstellungen mit unseren Kindern und einer Fotografin organisiert. Wir erhielten durchweg positive Reaktionen und tolle Resonanzen, auch viele aufbauende Worte. Viele interessante Gespräche haben wir führen können und wir haben tolle Menschen kennen gelernt.
Thema INKLUSION: Was bedeutet INKLUSION speziell für Euch und fühlt Ihr Euch mit Jasmin INKLUDIERT?
Im Moment fühlen wir uns gut inkludiert mit Jasmin. Sie besucht einen Regelkindergarten. Jasmin bekommt stundenweise eine Begleitung durch eine Integrationsassistentin.
Das ist für mich ein gutes Beispiel von Inklusion.
Für mich hat Inklusion auch viel mit Haltung zu tun.
Haltung-in dem Fall vom Kindergarten-da sind wir an tolle Menschen geraten. Auch im privaten Umfeld erlebe ich Jasmin inkludiert und ohne Handicap. Ich weiß aber auch, das Inklusion in der Schule in dieser Form nicht mehr durchführbar ist, weil das System in Baden-Württemberg noch lange nicht so weit ist, das Inklusion tatsächlich funktionieren kann. Ich denke in der Grundschule könnte es noch möglich gemacht werden – in der weiterführenden Schule wird es sicher immer schwieriger, wegen der fehlenden Voraussetzungen einer guten Inklusion. Zwei Lehrkräfte in einer Klasse in einer weiterführenden Schule sind im Moment nicht die Regel.
Gibt es besondere Herausforderungen in Eurem Alltag?
Wir haben vielleicht ein paar mehr Termine als andere Familien, aber das möchte ich nicht am Down Syndrom fest machen. Besondere Herausforderungen haben wir im Moment nicht.
Was habt Ihr durch Jasmin gelernt?
Ich habe durch Jasmin gelernt mich zu entschleunigen. Ich bin ein sehr ungeduldiger und perfektionierter Mensch, durch Jasmin lerne ich immer wieder aufs Neue mich selbst zu bremsen. Jasmin macht und lernt die Dinge zu Ihrer Zeit. Man muss sich darauf einlassen, man ist quasi gezwungen einen Gang zurück zu schalten. Und das ist gut so. Jasmin ruht in sich selbst und strahlt dies auch aus.
Wie sieht Jasmins Weg nach dem Kindergarten aus?
Ich könnte mir für Jasmin vorstellen, das sie auf eine kleine Regelschule gehen kann, in einer kleinen Klasse-eventuell mit der Unterstützung einer Schulbegleitung. Sicherlich im Rahmen von zieldifferentem Unterricht.
Was erhoffst Du Dir für Jasmin´s späteres Leben und machst Du Dir Sorgen um Jasmins Zukunft?
Ich wünsche mir für Jasmin, dass sie ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen kann. Ich bin auch überzeugt, dass Jasmin ihren Weg gehen wird und mache mir mittlerweile relativ wenig Sorgen. Durch meinen Beruf weiß ich, das es heutzutage sehr viele Möglichkeiten gibt. Ich wünsche mir, dass Jasmin ihr Leben auch altersgerecht erfahren kann. Ich vertraue meiner Tochter. Sie wird das gut hinbekommen, da bin ich sicher.
Was möchtest Du Eltern sagen, die gerade die Diagnose DOWN SYNDROM erhalten haben?
Man kann da einfach nur ganz viel Mut machen und den Eltern Entschlossenheit wünschen. Nehmt Kontakt zu Elterngruppen auf. Der Kontakt zu Familien mit Kindern mit Down Syndrom nimmt ganz viele Ängste. Ich wünsche mir eine bessere Beratung der Eltern, dass werdende Eltern nicht so allein gelassen werden. Die Eltern sollen wissen, dass es viele Familien gibt, die harmonisch und fröhlich und vor allem glücklich mit ihren liebevollen Kindern leben.
Weitere Informationen rund um das Thema Down Syndrom:
https://www.ds-infocenter.de/index.html
https://www.down-syndrom.de/index.php
https://www.down-syndrom.de/ds_ursachen.php
https://einzigartig21.de